Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?25117

Die CDU geht heute trotz ihres Widerstands gegen die Ehe-Öffnung viel lockerer mit Homosexualität um als noch vor einigen Jahren - ein Erfolg der Schwulen- und Lesbenbewegung (Bild: Rosalila PantherInnen)

  • 27. November 2015, 04:35h 59 5 Min.

Sehen wir es doch mal positiv: Ausgerechnet die einst (v)erbittertsten Gegner der Lebenspartnerschaft sind heute ihre größten Fans.

Von Micha Schulze

Einen Lieblingssatz haben wir von Jens Spahn, dem schwulen Bundestagsabgeordneten der CDU aus dem Münsterland, in den letzten Monaten immer wieder gehört. Die Union habe einen "Kulturkampf" gewonnen: "Heute kämpft eine eher linke Szene für die gute alte bürgerliche Ehe – und mancher bei uns sieht das als Bedrohung, anstatt sich darüber zu freuen."

Spahns Rhetorik mag beim christdemokratischen Kaffeeklatsch mit Kauder & Co. hilfreich sein, mit der Realität hat sie wenig zu tun. Die Union hat keinen "Kulturkampf" gewonnen, sondern sie ist gerade dabei, ihre allerletzte Schlacht gegen die einst perversen Lesben und Schwulen zu verlieren.

Vom Gegner zum Verteidiger der Lebenspartnerschaft

Keine andere Partei in Deutschland hat ihre Haltung zu Homosexualität so radikal geändert wie die CDU. Noch bis in die 1990er Jahre sträubte sie sich gegen die komplette Streichung des Paragrafen 175, doch als ihr Lokalpolitiker Sven Heibel im vergangenen Jahr die Wiedereinführung forderte, wurde er aus der Partei gedrängt.

Offen homosexuelle Politiker wie Jens Spahn werden heute Staatssekretär oder erobern wie Thomas Kufen in Essen das Rathaus. Auch die zehn Millionen für die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld wurden nicht etwa von Rot-Grün, sondern vor vier Jahren von der schwarz-gelben Bundesregierung locker gemacht.

Klagten die unionsregierten Länder Sachsen, Thüringen und Bayern 2001 noch vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das von SPD und Grünen verabschiedete Rumpf-Lebenspartnerschaftgesetz, verteidigen heute Unions-Politiker die mehrfach aufgestockte Version mit Zähnen und Klauen gegen die Ehe-Öffnung. Eine Abschaffung des Rechtsinstituts oder Verpartnerungen auf dem Kraftfahrzeugamt – all das fordert heute niemand mehr.

Wenn der "katholische Freundeskreis" um Bundestagspräsident Norbert Lammert nun sogar vorschlägt, die Eingetragene Partnerschaft neben der Hetero-Ehe in Artikel sechs des Grundgesetzes aufzunehmen, ist das natürlich ein homophobes Kuckucksei, ein verzweifelter Versuch, die unausweichliche Ehe-Öffnung auf den letzten Metern noch zu verhindern. Aber auch eine beachtliche 180-Grad-Wende, ein tragi-komischer Riesenschritt nach vorn. Ausgerechnet die (v)erbittertsten Gegner von einst sind heute die größten Fans der Eingetragenen Partnerschaft!

Schauen wir uns nur die Unterzeichner des "Zwischenrufs" an, die jetzt das heilige Grundgesetz für die damals als verfassungswidrig verdammte Lebenspartnerschaft ändern wollen. Dazu gehören etwa Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel, der in Karlsruhe das Gesetz kippen wollte, und Ex-CSU-Fraktionschef Alois Glück, der in Bayern mit dafür sorgte, dass Verpartnerungen nur beim Notar möglich waren und bloß nicht in einer staatlichen Behörde. Und es ist gerade mal zwei Jahre her, dass Lammert selbst noch indirekt mit der Rückabwicklung des LPartG gedroht hatte.

Diese radikale Wende wäre ohne das jahrelange Engagement der Schwulen- und Lesbenbewegung, inklusive der LSU, undenkbar. Die "Homo-Lobby" hat mit ihrer Hartnäckigkeit eine einst erzkonservative, von Grund auf homophobe Partei deutlich mehr als nur "erwärmt" – freilich mit Unterstützung der normativen Kraft des Faktischen und des Bundesverfassungsgerichts.

Noch immer nicht in der Gegenwart angekommen

Nun haben die Christdemokraten zwar größtenteils den Muff der 1950er und 1960er Jahre hinter sich gelassen, komplett in der Gegenwart angekommen sind sie leider noch immer nicht. Solange die Union mehrheitlich die Ehe für alle bekämpft, hat sie keine Stimmen von Lesben und Schwulen verdient. Wenn sie wie in Sachsen die homophobe Autorin Birgit Kelle als Sachverständige für Toleranz und Vielfalt beruft oder wie in Baden-Württemberg Wahlkampf auf Kosten von LGBT betreibt, ist sie ein klarer Gegner. Auch die vielen Demütigungen der letzten Jahrzehnte sind so schnell nicht vergessen.

Allerdings ist die Union auch nicht der böse monolithische Block, als der sie von manchen Aktivisten dargestellt wird. Im Bundestag treffen wir heute nicht nur auf homophobe Dinosaurier wie Erika Steinbach, die übrigens bereits ihren Abschied aus der Politik angekündigt hat, sondern auch auf den in LGBT-Fragen durchaus engagierten Stuttgarter Abgeordneten Stefan Kaufmann oder den Berliner Großstadtbeauftragten Kai Wegner, der sich bereits vor dem irischen Referendum für die Ehe-Öffnung starkmachte. Diese Verbündeten gilt es zu unterstützen!

Die Union befindet sich in einem rasanten Prozess des Wandels, der manche in Szene wie Partei überfordert: Einst galten CDU-Politiker wie Annegret Kramp-Karrenbauer oder Julia Klöckner nur deswegen als "liberal", weil sie keine Berührungsängste gegenüber Lesben und Schwulen hatten. Heute müssen sie sich wegen ihres Widerstands gegen die Ehe-Öffnung zurecht den Vorwurf der Homophobie gefallen lassen. Der LSVD-Dialog mit der saarländischen Ministerpräsidentin im September hat gut gezeigt, dass nur komische Gefühle, der persönliche Glaube oder das Klammern an die Tradition, aber kein einziges echtes Argument die überfällige Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Deutschland verhindern.

Das Rumeiern von Kramp-Karrenbauer, die absurde Mitgliederbefragung der Berliner CDU zur Ehe für alle mit sieben Antwortmöglichkeiten oder der jüngste "Zwischenruf" von Lammert & Co. – all dies sind Zeichen, wie verunsichert, wie nervös, wie getrieben die Union ist. Der Bundesrat, die Mehrheit im Bundestag und auch alle Meinungsumfragen sprechen sich klar für eine echte Gleichstellung von Lesben und Schwulen aus, Tendenz weiter steigend. International steht Deutschland in der westlichen Welt zunehmend isoliert da. CDU und CSU wissen es selbst: Der "Kulturkampf" der homophoben Konservativen ist verloren, die letzten Rückzugsgefechte werden geführt.

Eigentlich ein Grund zu feiern. Oder um es mit den Worten von Jens Spahn zu formulieren: Heute kämpft die Union für die rot-grüne Lebenspartnerschaft – und mancher in der Szene sieht das als Bedrohung, anstatt sich darüber zu freuen.

Die Ehe-Öffnung kommt so oder so.

#1 Johannes45Anonym
  • 27.11.2015, 05:24h
  • Ein sehr guter differenzierter Kommentar zur politischne Lage am Ende des Jahres 2015 in Deutschland, was die heutige Lage der CDU angeht und wie sie sich zum Positiven verändert hat, wenn man sich die Position der CDU aus dem Jahre 2001 bei Einführung des Lebenspartnerschaftsinstitutes anschaut.

    "Sehen wir es doch mal positiv: Ausgerechnet die einst (v)erbittertsten Gegner der Lebenspartnerschaft sind heute ihre größten Fans."

    UND doch ist auch die CDU heute im Jahre 2015 hinter den anderen im Bundestag befindllichen Parteien im Rückstand, das die Eheöffnung auf der politischen Tagesordung längst steht.
  • Direktlink »
#2 EhlaAnonym
  • 27.11.2015, 06:41h

  • Macht ein Shitstorm auf der CDU Facebookseite, für die Ehe für alle!

    Mich hat man gesperrt und die Kommentare gelöscht, nachdem ich auf einen Kommentar zuviele "Likes" bekommen. (man muss möglichst als erster posten damit der Kommentar "oben" bleibt)

    Glaub das ist ein "Wunder Punkt" bei der CDU!

    Aber alle Kommentare für due "Ehe für alle" können sie nicht auf einmal löschen!
  • Direktlink »
#3 Johannes45Anonym
  • 27.11.2015, 07:51h
  • Antwort auf #2 von Ehla
  • @Ehla
    "Macht ein Shitstorm auf der CDU Facebookseite, für die Ehe für alle!"

    ---> Schade da hat gerade Micha Schulze hier einen sehr guten Kommentar zur guten Entwicklung in der CDU im Zeiraum 2001 bis 2015 gezeichnet und gut differenziert diese Entwicklung beschrieben, und dann kommst Du hier "um die Ecke" und rufst zum Shitstorm bei der CDU Facebookseite auf.

    Lerne erstmal was hier im Artikel gut beschrieben ist, und wie positiv sich die CDU unter Angela Merkel entwickelt hat.

    Anstatt einen Shitstorm hier zu wollen, wie es typischerweise linke Aktivisten gegen die CDU betreiben, solltest Du besser vernünftig und argumentativ formulieren, wenn du bei der CDU auf deren Facebookseite schreibst.

    Beispielsweise schreibe doch an die CDU:

    "Liebe CDU, Ihr, habt es doch unter der Regierungszeit von Frau Merkel soweit gebracht, dass Ihr zu glühenden Verfechtern und Unterstützern des Lebenspartnerschaftsinstitut geworden seit. Selbst das Rechtsbereinigungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsrecht habt Ihr in der CDU im Oktober diesen Jahres verabschiedet. Nun könnt Ihr doch auch genausogut anstatt "Lebenspartnerschaft" und "verpartner" uns homosexuellen Paare auch den Begriff "Ehe" geben. Es ist doch sowieso bereits rechtlich fast alles gleich an Rechten und Pflichten zur Ehe. Dann könnt Ihr es doch auch Ehe nennen".

    ---> Solche linken Aktivisten, die mit Shitstorms und dergleichen agieren, sind kontraproduktiv, erreichen überhaupt NICHTS und sind in der Sache aus LGBT-Sicht nicht richtig, weil linke Aktivisten hier schlichtweg die rechtliche Faktenlage im Jahre 2015 nicht wahrhaben wollen und stattdessen nur auf Agression und Diffamierung ausgerichtet sind.

    Nach meiner Einschätzung geht es solchen linken Aktivisten, die mit Shitstorms beim Thema Eheöffnung arbeiten, überhaupt nicht um das Thema, sondern sie wollen der CDU in Wahrheit nur eine "reinwürgen", weil sie aus ganz ganz anderen politischen Themenfeldern die CDU im Jahre 2015 nicht mögen.
  • Direktlink »

Kommentieren nicht mehr möglich
nach oben
Debatte bei Facebook

Newsletter
  • Unsere Newsletter halten Dich täglich oder wöchentlich über die Nachrichten aus der queeren Welt auf dem Laufenden.
    Email: