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Paragraf 103 StGB
Vor Erdogan beschäftigte der "schwule" Benedikt deutsche Gerichte
- Von Dennis Klein
15. April 2016, 14:24h 2 Min.
Dieses Bild soll ein ausländisches Staatsoberhaupt beleidigt haben – doch das Verwaltungsgericht verwarf den Vorwurf.
Der Majestätsbeleidgungs-Paragraf 103, mit dem jetzt Satiriker Jan Böhmermann der Mund verboten werden soll, war bereits Thema auf dem CSD München.
Am Freitagmittag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Druck des autoritären türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erklärt, dass die Bundesregierung ihr Okay für Ermittlungen gegen Jan Böhmermann nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches gibt.
Der unselige Paragraf, der seit der Staatsgründung 1871 in verschiedenen Formen existiert hat, ist in den letzten Jahren selten angewandt worden – zuletzt 2006 wegen eines Münchener CSD-Wagens: Damals hatte die Münchener Polizei einen Wagen gestoppt, der sich mit dem Kondomverbot des Papstes beschäftigte. Besonders erregte die katholische Obrigkeit offenbar, dass der Papst auf einem mit regenbogenfarbener Haarpracht und mit Kondomen an den Fingern dargestellt wurde.
Der Papst werde als schmutziger Schwuler dargestellt, so die Kritik. Vorwurf: Verdacht der Verunglimpfung eines ausländischen Staatsoberhauptes und Beleidigung von religiösen Bekenntnissen. Zwar wurde das Strafverfahren gegen die Organisatoren um den Wirt Dietmar Holzapfel schon kurz nach dem CSD eingestellt. Die Gerichte waren aber trotzdem vier Jahre lang mit dem Thema beschäftigt, da sich Holzapfel gegen Behördenwillkür wehren wollte und eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage einreichte.
2010 endlich die weise Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs: Die Organisatoren um den Wirt hätten Benedikt nicht als Schwulen diskriminieren wollen. Sie hätten lediglich von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht und die Haltung der Kirche gegenüber Homosexuellen satirisch kommentiert. "Es ging Ihnen um die Sache, nicht um die Person des Papstes", sagte Richter Andreas Dhom.
Hoffentlich ist die Justiz heute noch so klug wie damals.
Sultan Erdogan pfeift und Union und SPD schaffen Rede-, Kunst- und Pressefreiheit ab.
Das ist ein schwarzer Tag für Demokratie und Grundrechte.
Und wieder mal ist die SPD auf ganzer Linie eingeknickt. Da können Oppermann & Co noch so sehr ihre Standard-Floskel, sie hätten bei der Entscheidung "Bauchschmerzen" wiederholen.
Fakt ist: die SPD interessiert sich nicht mehr für demokratische Grundrechte, sondern macht nur noch, was Merkel und Erdogan ihnen diktieren.